Wahrscheinlich ist es der Fluch der ungewöhnlichen Ideen, verzweigten Lebensläufe und nicht festgelegten Wegen. Die Frage: Wie kommt man denn darauf?
Ich habe einen Ingenieursbachelor, einen fast abgeschlossenen Wirtschaftsingenieurmaster, arbeite in einer Rückversicherung, war für ein Webvideomagazin tätig und schreibe meine Masterarbeit über Social Media Marketing. In meiner Freizeit reite ich gerne, wie so viele Frauen, außerdem baue ich gerne Sachen aus Holz und hätte gern eine kleine Werkstatt. Ich war auf Korn und Haftbefehl-Konzerten und habe manchmal Sonntagnachmittage mit Tanz- oder Disneyfilmen. Ich halte viel von Anstand, Respekt und Pünktlichkeit, aber gehe oft in Jogginghose einkaufen oder trage auf einer Samstagnachmittag-Shoppingtour ein Shirt, auf dem Penis steht.
Ich tue viele verschiedene Dinge, aber bei allen begleitet mich eine Frage: Wie kommt man denn darauf? Es ist nahezu so, als würden meine Gesprächspartner regelmäßig vermuten, dass ich mich morgens hinsetze, darüber nachdenke, was ich bisher so getan habe, um dann das genaue Gegenteil zu tun. Es ist, als würden alle davon ausgehen, dass ich es darauf angelegt habe, jeden Zuschauer meines Lebens zu verwirren.
Die Erkenntnis
Ich kann euch versichern: Das ist nicht so. Lange habe ich gedacht, dass ich so umherirre, weil ich eigentlich nicht weiß, was ich will. Weil ich noch nicht gefunden habe, was ich will und kreuz und quer durch die Gegend streife, um genau dieses eine zu finden, das mich letztendlich voll überzeugt. Es war ein kleiner Nebensatz einer sehr guten Freundin (Grüße nach Kassel an dieser Stelle!), der mich zum Umdenken brachte. Ich glaube, in dem Gespräch ging es um meine Masterarbeit, die außer dem Wort „Auto“ nicht viel bis gar nichts mit meinem Studiengang zu tun hat. Es ist natürlich völlig abwegig, dass ich als Ingenieurin über Social Media Marketing schreibe, während alle meine Kommilitonen händeringend nach einem Abschlussarbeitsplatz bei Audi, Porsche und BMW suchen.
Während ich mich also immer als ruheloser Wanderer gesehen habe, sagte sie: „Du machst doch eh das, was du willst. Wie immer.“ Nun, sie hatte Recht. Ich irrte nicht umher, um zu suchen, was ich wollte. Ich tat bereits, was ich wollte. Und wer legt eigentlich fest, dass alles, was man will, irgendwie ähnlich sein muss? Wer sagt denn, dass man sich mit einem Ingenieursstudium nur für Technik interessieren darf? Wer bestimmt, dass man Dinge nicht mögen kann, nur weil man ihre angeblichen Gegenteile nicht mag? Und wer bitte behauptet denn, dass Penis-Shirts nicht anständig sind?
Naja, vielleicht ja ihr. Oder jemand in eurem Umfeld. Aber stimmt das denn wirklich?
Ideenwachstum
Wie kommt man denn darauf? So, wie man auf alles in seinem Leben kommt. Man hat eine Idee und setzt sie um. Vielleicht beim Duschen, auf der Toilette, während man spazieren geht, keuchend hinter der verspäteten Bahn her hetzt oder mit hervorquellenden Augen fast an der gerade ergatterten Ditsch-Brezel erstickt. Das Leben ist in den seltensten Fällen geradlinig und wir sind es ebenso wenig.
Ich erwische mich oft selbst dabei, dass ich kurz davor bin, anderen diese Frage zu stellen. Neulich war ich auf einer Startup-Veranstaltung und bei vielen verrückten Ideen ist das erste, was man denkt, wie kommt man denn darauf? Was soll es für eine Antwort auf diese Frage geben?
Ideen kommen aus dem nichts. Sie entwickeln ein Eigenleben. Man denkt (meistens) nicht unbedingt, dass man jetzt etwas Verrücktes tut und sich daraus die Innovation des Jahrhunderts entwickelt. Man tut, was einen interessiert. Und oft auch einfach, was getan werden muss. Daraus entwickelt sich ein Netz aus Interessen, eine Struktur, Ordnung im Chaos aus Wünschen. Und irgendwann wird daraus vielleicht ein Traum. In ganz kleinen Schritten.
Bild von Kitty Terwolbeck



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