Peinlichkeiten im Alltag ? Gedanken der Anderen

Peinlichkeiten im Alltag ? Gedanken der Anderen

The key to happiness is stop giving a fuck, so die Theorie. Dahinter steht, dass wir uns einfach zu viele Gedanken um die Meinung anderer machen. Uns sind so viele Dinge peinlich, regelmäßig schämen wir uns in Grund und Boden und zu oft wünschen wir uns, dass uns gerade niemand gesehen hätte. Wir wollen perfekt sein, in jedem Moment, zu jeder Zeit, immer. Wir wollen, dass andere keinen Makel an uns entdecken. Wollen auffallen und bewundert werden oder einfach untergehen in der Masse und nicht beachtet werden. Wenn wir uns abheben, dann sicher nicht negativ, darum müssen wir perfekt sein, uns keine Fehler erlauben. Peinlichkeiten im Alltag – sind sie wirklich so schrecklich, wie wir uns in solchen Momenten fühlen?

Ein Tag am Flughafen

Neulich stand ich am Flughafen an meinem Gate und wartete darauf, dass das längst ausgewiesene Boarding dann auch endlich begann. Mit mir im Warteraum waren all die anderen Menschen mit dem gleichen Ziel. Einige glückliche hatten sich einen der begrenzten Sitzplätze ergattert, die anderen standen dusselig im Raum herum. Ich lehnte nun dort, offensichtlich ziemlich cool, an dem defekten Getränkeautomaten und beobachtete die Gesichter vor mir, während ich darauf wartete, dass endlich das Boarding startete und ich zurück nach Hause kam. In Schönefeld ist die Ausweiskontrolle vor dem Wartebereich am Gate, sodass man bei geöffneter Tür direkt zum Flugzeug marschieren kann.

So warteten wir alle und vertrödelten uns die Zeit. Der ein oder andere Gedanke war sicher ärgerlich und grübelte über die Unfähigkeit von wem auch immer nach, der uns ja vielleicht auch mal eine Information liefern hätte können, warum das Flugzeug noch nicht da war, obwohl doch schon Boarding an den zahllosen Bildschirmen blinkte. Plötzlich Unruhe am Pult der Ausweiskontrolle. Eine Frau mittleren Alters mit ihrem Sohn. Leicht panisch, sicher aufgelöst. In aller Seelenruhe kontrollierte die nette Dame vom Flughafenpersonal ihre Ausweise und Boardkarten und winkte sie schließlich durch. Wie ein von der Leine gelassener Windhund sprinteten die Zwei dann durch die wartende Menge. Blicke hoben sich, um Ursachen für den plötzlichen Tumult zu finden. Und während sie schon fast an der Tür in Richtung Flugzeug waren, dass immer noch nicht da war, rief die Frau: „Los jetzt, die warten nicht auf uns.“, kurz bevor sie an der – natürlich verschlossenen, zum Glück nicht alarmgesicherten – Tür rüttelte. Erst dann stellte sie fest, dass ihr Flieger tatsächlich nicht auf sie wartete, weil er schlichtweg noch nicht da war.

Wahrscheinlich fiel in diesem Moment zumindest ihre Panik von ihr ab, während sie sich langsam umdrehte, um in die teils schmunzelnden Gesichter zu blicken, die, wie ihr nun aufging, wohl auch auf den Flieger warteten. Ich wusste genau, wie sie sich fühlte. Am liebsten wäre sie wohl im Boden versunken, so aber wandte sie sich an ihren Sohn und begann ein scheinbar völlig unbeteiligtes Gespräch. Sie tat als wäre nichts passiert und hoffte wohl, natürlich gänzlich widersinnig, dass niemand ihren Auftritt mitbekommen hatte. Oh Gott, wäre mir das an ihrer Stelle peinlich gewesen. Wenn ich es gekonnt hätte, hätte ich mich wohl in meinem kleinen Trolli versteckt, wenn mir das passiert wäre.

Ist Scham wirklich nötig?

Und plötzlich machte es Klick. Ich war in diesem Moment einer dieser Menschen, vor denen ihr die ganze Aktion schrecklich peinlich war. Aber ich stand nur da und fühlte mit ihr. Ich konnte genau nachvollziehen, wie sie sich fühlte. Auch mir entglitt natürlich ein Schmunzeln, aber in keinem Moment verspürte ich das Bedürfnis mit einem Finger auf sie zeigend laut loszulachen. Und ich sah auch bei niemand anderem Anzeichen dafür. Die meisten interessierte die ganze Situation nicht einmal, sie hatten kaum von ihrer Zeitung aufgesehen. Wenn man nun heute, nach etwa zwei Wochen, die vielleicht hundert anwesenden Fluggäste befragen würde – wie viele von ihnen würden sich wohl an den Vorfall erinnern? Ganz sicher die Frau, die in ruhigen Momenten wohl manchmal zurückdenkt und immer noch im Boden versinken möchte. Wer weiß, ob ich mich daran erinnern würde, wenn ich mir die Situation nicht kurz notiert hätte, um jetzt diese Zeilen zu schreiben.

Was ich sagen will: Warum sind uns so viele Dinge peinlich? Die jetzt beschriebene Situation war noch deutlich extremer als ein simples Stolpern oder das Herunterfallen der Tasche oder ähnliches. In den allerallerseltensten Fällen wird es vielleicht jemanden geben, der uns tatsächlich auslachen würde. Wovor also fürchten wir uns? Dass die Umstehenden es nicht einmal mitbekommen? Oder etwas, dass sie plötzlich mitfühlend werden? Es ist nichts Schreckliches daran, nicht perfekt zu sein. Niemand von uns ist es und nur wenige von uns denken es. Jeder kennt solche Situationen und weiß, wie man sich fühlt. Ist es wirklich so schlimm, wenn andere unsere Imperfektion sehen? Wenn sie sehen, dass wir Fehler machen? Vor wem wollen wir eigentlich perfekt erscheinen? Vor diesen Leuten, die uns gar nicht kennen oder vielleicht doch nur vor uns selbst?

Bild von Alex Proimos

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