Ich treffe meine Entscheidungen gern auf einer guten Informationsgrundlage. Ich mag es nicht Entscheidungen zu treffen, die weder begründet noch in ihrer Auswirkung eindeutig bestimmt sind. Ich bin gern sicher. Unsicherheit macht mich nervös und verursacht immer das Gefühl, ich müsste irgendwie mein Gesicht verziehen. Ich will jede Möglichkeit kennen, auch den worst case.
Dabei ist die Annahme unsere Informationen wären vollständig in den allermeisten Fällen nur eine Beruhigung für unser Gewissen. Das Leben bietet so viele Variablen und Unbekannte, dass wir unmöglich alle beachten können. Also treffen wir unsere Entscheidungen aufgrund von Wahrscheinlichkeiten. Wenn ich nicht weiß, wie etwas passieren wird, entscheide ich mich für die Möglichkeit, die am wahrscheinlichsten ist. Mein Thermometer ist kaputt und draußen scheint die Sonne. Allerdings ist es Winter, darum ist es ziemlich wahrscheinlich, dass ein Bikini heute die falsche Outfitwahl wäre und so greife ich doch zur Jacke. Problem gelöst.
Komplexe Entscheidungen
Nun sind aber nicht alle Entscheidungen so einfach wie das Jackenbeispiel. Es gibt so viel komplexere, zukunftsträchtigere und verrücktere Entscheidungen, die wir zu treffen haben. Übrigens ist es auch eine Entscheidung, keine Entscheidung zu treffen und einfach gar nicht zu handeln. Auch Warten kann manchmal der richtige und teilweise vielleicht sogar der einzige Weg sein, ans Ziel zu gelangen.
Aber wir wollen vorbereitet sein. Auf alles. In unseren Köpfen spielen unzählige Situationen durch, die eventuell irgendwann einmal passieren könnten, damit wir eine passende Erwiderung haben und uns der beste Spruch nicht erst wieder eine Woche später einfällt. Natürlich träumen wir dabei und wünschen uns absurde Disney-Happy End-Szenarien für all unsere Probleme.
Wir sprechen mit unseren Freunden über unsere Probleme, Träume, Wünsche und Entscheidungen. Und erst vor wenigen Tagen fiel mir wieder auf, wie sehr ich doch auf jeden Rückschlag vorbereitet sein möchte. Wie sehr ich mich absichern und innerlich wappnen will. Eine meiner Lieblingsfragen bei solchen Gesprächen ist: „Was denkst du, wäre das worst case-Szenario?“
Negative Gedanken
Warum tun wir das? Wir wollen vorbereitet sein. Aber ist die Vorbereitung gegen alles möglich Negative nicht eine Verzerrung der Realität und damit eine Beeinflussung unserer Informationen und Verschiebung der Wahrscheinlichkeiten? Wir haben Angst enttäuscht zu werden und oftmals auch uns zu öffnen und vielleicht verletzlich zu erscheinen. Wir haben Angst, andere könnten unsere Schwächen ausnutzen. Darum betrachten wir immer zuerst und oft auch nur die Szenarien an einem Ende der Skala. Und wenn das worst case-Szenario uns allzu schrecklich erscheint, so entscheiden wir uns dagegen. Schließlich haben wir alles abgewogen, aber das, was dabei rauskam, wollen wir nun wirklich nicht.
Mit unseren guten Vorsätzen, auf vollständigen Informationsgrundlagen zu entscheiden, haben wir also gebrochen. Denn wenn wir wirklich alles beachten wollen würden, wäre die worst case-Frage nur das Gegenstück zur ebenso wichtigen Frage: „Was denkst du, wäre das best case-Szenario?“ Und was würde es schon schaden, ab und zu auch mal positiv zu denken? Wir sollten nicht immer nur auf alles Negative vorbereitet sein. Denn wie oft ist es so, dass wir alles bedacht und abgewägt haben und am Ende plötzlich etwas passiert, mit dem wir so überhaupt gar nicht gerechnet hätten. Vorbereitet zu sein kann sicher nicht schaden. Aber das Leben bietet uns so viele Überraschungen, dass wir auch darauf vorbereitet sollten, unvorbereitet zu sein. Und was gibt uns beim Eintreffen des worst case-Szenarios mehr Kraft als der Gedanke an einen best case?
Selbsterfüllende Prophezeiung
Durch die ständige Erwartung, dass immer nur etwas Schlechtes passieren wird, blockieren wir uns selbst und bauen Mauern in unserem Kopf, die den Weg zum Disney-Happy End schlussendlich vielleicht versperren. Man kann nicht immer nur das Schlechteste denken und darauf warten, dass das Beste passiert. Um Erfolg zu haben, muss man positiv denken und auch mal etwas riskieren. Vielleicht wird euer best case-Szenario dann plötzlich doch gar nicht so unwahrscheinlich – wie eine selbsterfüllende Prophezeiung.
What if I fall?
But darling – what if you fly?
Bild von Jakob Lawitzki



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